Klimaschutz: Ausbau Erneuerbarer Energien allein reicht nicht

Klimaschutz: Ausbau Erneuerbarer Energien allein reicht nicht

Ein Bündel an Maßnahmen für den Klimaschutz

pro grün e.V. Paderborn befürwortet flankierende Maßnahmen um Klimaschutzziele zu erreichen – Ausbau Erneuerbarer Energien allein reicht nicht  

Es ist gut 10 Jahre her, dass ein Klimaschutzkonzept für den Kreis Paderborn erstellt wurde. Bereits damals wies pro grün darauf hin, dass es nicht ausreiche allein auf den Ausbau der Erneuerbaren in Form von Windkraft und Photovoltaik zu setzen. Ein ganzes Bündel an flankierenden Maßnahmen war die pro grün-Forderung, die der Verein immer wieder einfordert und auch weiterhin ausarbeitet.

„Die Maßnahmen, die es auf regionaler Ebene in Angriff zu nehmen gilt sind auch auf Bundesebene relevant“, argumentiert Dieter Dubisch im Januar 2022, „wir können uns nicht darauf fixieren, dass wir Klimaschutzziele und CO2-Einsparung allein über den gebetsmühlenartig propagierten Ausbau von Windkraft und Photovoltaik erreichen, daneben gibt es eine Reihe an Maßnahmen, die zwar nicht so Medien-griffig sind, aber die einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten können, damit die Versäumnisse der Vergangenheit nicht wiederholt werden.”

In diesem Beitrag stellen wir eine Übersicht zusammen über die auf diesen Seiten dokumentierten Maßnahmen, die pro grün auf verschiedenen politischen Ebenen immer wieder eingebracht hat und nun an die aktuelle Bundesregierung adressiert.

1. Faktor: Energieeinsparung
Jede nicht benötigte Kilowattstunde ist besser, als eine wie auch immer erzeugte.

Maßnahmen:

Voraussetzung auf Bundesebene: Änderung wirtschaftlicher / gesetzlicher Rahmenbedingungen

Effekt: zukunftsweisender Anreiz für effizientere Energieerzeugung, Energienutzung und Energieeinsparung.

+ Missstände bei den Rahmenbedingungen im Stromsektor beseitigen.

+ Ausgleich zwischen dem schwankenden Stromangebot und der Nachfrage schaffen, dazu gehört unmittelbar ein flexibler Strompreis / eine flexible Tarifstruktur um Anreize zu schaffen, Stromverbraucher erst dann einzuschalten, wenn der Strom im Überschuss angeboten wird.

+ Förderung flexibler Stromerzeugung in kommunaler Hand mit dezentralen Kraftwerken (BHKW, Biogasanlagen).

+ Laststeuerung durch Einführung von Smart Grid-Systemen. Förderung intelligenter Steuerungen und von Smart Grid-Systemen

+ Intelligente Energie-Einsparungs-Konzepte erstellen und zügig umsetzen.

Vorteile: 

• die genannten Maßnahmen dienen gleichzeitig der Netzstabilität. Lastspitzen können vermieden werden, bzw. geglättet bei Zuschaltung.

• Smart-Grid-Systeme: Entlastungseffekte durch Energieeffizienz.

Nichtberücksichtigung: 

– Wie eine aktuelle Evaluation des hiesigen Klimaschutzkonzeptes ergab, hat keine der umgesetzten Maßnahmen zu Energieeinsparungen geführt, unsere Vorschläge blieben leider unberücksichtigt.

– Durch eine Verrechnung von verbrauchter Energie mit regenerativ erzeugter Energie wird eine Schein-Klimaneutralität erreicht, denn Erzeugung und Verbrauch finden real zu unterschiedlichen Jahreszeiten statt.

– Von Netzbetreibern wie Westfalen Weser Netz als sinnvoll erachtete Maßnahmen bleiben ungenutzt, weil betriebswirtschaftlich weiterhin nicht darstellbar

 

2. Faktor: Wärmeversorgung von Wohnungen
Die Wärmeversorgung der Wohnungen soll zukünftig immer mehr mit grünem Strom – anstatt mit fossilen Energieträgern geleistet werden.

Maßnahmen: 

+ Die Sanierungsquote im Altbaubestand müsste vervielfacht werden.

+ Die Energiestandards im Neubaubereich müssen mindestens Passivhausstandard erfüllen.

+ Baustandards schaffen, die energiefressende Baustoffe wie Zement und Klinker einschränken und nachhaltige Baustoffe wie Holz und Recycling-Baustoffe fördern.

Vorteile:

In kürzester Zeit kann eine Vielzahl von Maßnahmen zu schneller Reduktion des Energieverbrauchs führen, mit schnell und nachhaltig messbaren Ergebnissen.
Einmal bereits eingesetzte sogenannte „graue Energie“ im Baubereich wird nicht verschwendet.

Viele ökologisch sinnvolle Einzelmaßnahmen beleben den entsprechenden Arbeitsmarkt.

Nichtbeachtung:

Im Umkehrschluss wird die Chance verpasst kurzfristig zu hohen Energie-Einsparmaßnahmen zu kommen.

 

3. Faktor: Mobilität

Maßnahmen: 

+ Stärkere Förderung der multimodalen Mobilität (z.B. digitale Vernetzung von Radverkehr / ÖPNV sowie Steigerung der Attraktivität von Alternativen zum motorisierten Individualverkehr (MIV)).

+ Alternative Mitfahrsysteme beispielsweise zum Arbeitsplatz und zurück fördern

+ Anreize für die Erprobung neuer kreativer Konzepte schaffen (Elektro-Car-Sharing / Mitfahrkonzepte / entsprechende Apps sind bereits verfügbar, Verbreitung auch in ländlichen Gebieten fördern)

+ Umstellung des ÖPNV auf alternative Antriebe fördern

+ Förderung von per PV erzeugtem Strom auf Handelsplattformen.

 

Pro grün e.V. hat sich bereits im letzten Bundestagswahlkampf eingebracht und die Missstände bei den Rahmenbedingungen des Stromsektors aufgezeigt. Bei Medien und allen Parteien stand lediglich der Ausbau der Erneuerbaren im Vordergrund. So führten wir einen Dialog mit MdB Carsten Linnemann, aber auch mit SPD und Grünen, um Verbesserungsvorschläge einzubringen.

 


Beispiele für „Opfer der Rahmenbedingungen“: 

– Bei Amelunxen im Kreis Höxter wurde vor einigen Jahren (2018) der Bau eines Pumpspeicherkraftwerkes aufgegeben, weil die Rahmenbedingungen eine Rentabilität ausschlossen.

(Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Pumpspeicherkraftwerk_Nethe)

Das geplante, energiepolitisch zu begrüßende Vorhaben Pumpspeicherkraftwerk wäre mit 390 MW im Vergleich zu anderen Pumpspeicherkraftwerken ein mittelgroßes gewesen, siehe Liste von Pumpspeicherkraftwerken. Seit Dezember 2011 lief das Verfahren zur Änderung des Regionalplans, mit Planung das Kraftwerk 2021 ans Netz zu bringen. Im Juli 2018 wurde das Projekt aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen, fehlender Marktanreize, aufgegeben.

– Der Netzbetreiber Westfalen Weser bestätigte auf Nachfrage, dass diverse Maßnahmen, die für die Netzstabilität notwendig seien nicht realisiert würden, aus gleichem Grund.

– Kühlaggregate (Kühlhäuser) könnten netzlastabhängig die Solltemperatur anpassen (Speichereffekt über Stunden).

– Akkus von E-Autos oder Haus-PV-Anlagen könnten netzlastabhängig über Smart grids eingebunden werden.

Fazit: Der Gesetzgeber muss die Rahmenbedingungen für die Strompreise schaffen, denn

• Investoren brauchen Anreize, um eine umweltfreundliche Stromerzeugung für sog. Stromflauten (kein Wind / keine Sonne) sicher zu stellen.

• Logischerweise ist es sinnvoll – über flexible Strompreise und Einspeisevergütungen – Anreize zu geben um bei starker Nachfrage Strom zu erzeugen (Biogasanlagen / Blockheizkraftwerke / Speicher von E-Autos).

• Ebenso können Verbraucher ihr Verhalten (Nutzung von Wasch-/Spülmaschinen etc.) nach dem Preis ausrichten.

Gespräche mit Vertretern der Stadtwerke Paderborn zeigten weiter: Flexible Strompreise induzieren sowohl auf Verbraucherseite (durch geändertes Verbrauchsverhalten) als auch bei der Erzeugung einen Ausgleich der starken Schwankungen. Eine Netzstabilisierung ist dann ein erwünschter Nebeneffekt für den Netzbetreiber. Intelligente Netze sind hierfür zwingend notwendig.

Ebenso könnten mit entsprechenden Preissignalen Biogasanlagen und BHKWs zentral gesteuert immer dann Strom erzeugen, wenn der Strompreis an der Börse hoch ist. Die anfallende Wärme kann preiswert (im Vergleich zum Stromspeicher) gepuffert werden.
Leider gibt es bisher für die Betreiber diese oder ähnliche Anreize nicht.

• Zurzeit werden Windkraftanlagen bei zu viel Strom im Netz abgeschaltet. Statt Windräder oder BHKWs vom Netz zu nehmen, müsste die überschüssige Energie gespeichert, gepuffert und/oder in Form von Wasserstoff weitergenutzt werden. (z.B: H2-basierten ÖPNV-Betriebes (wie Padersprinter)).

• Ein Beispiel im Kreis Paderborn für verbesserungswürdige Rahmenbedingungen ist die potentielle Belieferung der Paderborner UNI mit Windstrom, der z.Z. abgeregelt wird (Power to Heat).

Auf Bundesebene muss für entsprechende Marktanreize gesorgt werden.
Insbesondere „Förderung systemdienlicher Einspeisung zur Stimulierung der Sektorenkopplung durch einen eigenen Vergütungssatz“ müsste geprüft werden:

Externer Link: http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/EWG_Eckpunkte-für-eine-Gesetzesinitiative-zur-Systemintegration-Erneuerbarer-Energien.pdf

Pro grün erhofft sich, dass sich eine neue Chance unter Rot-Grün-Gelb ergibt, zumal hiermit ja keine Belastung des Bundeshaushaltes verbunden ist.