Anregungen zur Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes des Kreises Paderborn 2020

Nach Sichtung der Evaluation des Klimaschutzkonzeptes des Kreises Paderborn, kommen wir – pro grün e.V. Paderborn – zu dem Ergebnis, dass unsere Befürchtungen  aus dem Jahre 2011 bestätigt wurden.

Das Wichtigste: Es wurden über all die Jahre keine relevanten Einsparungen im Gesamtenergiebedarf erreicht, während die CO2-Minderungen nur dadurch erreicht bzw. vorgespiegelt wurden, dass die erneuerbare Energiezeugung im Kreis PB allein vom Kreis bilanziell beansprucht und in Abzug gebracht wurde, obwohl diese regional an einem der windreichsten, wenig bevölkerten Standorte Deutschlands erzeugten Erneuerbaren auch überregional – z.B. in dicht besiedelten Industriegebieten – gebraucht und genutzt werden!

Weiter ist das Angebot an Erneuerbaren stark schwankend, so dass es nicht einfach mit einem völlig anders strukturierten Verbrauchsprofil verrechnet werden darf. Hier ist dringend eine ehrlichere und im Gesamtblick zielführendere CO2- Bilanzierung notwendig. Man sollte mindestens als alternative CO2-Bewertung bei diesen Berechnungen den Energieerzeuger-Mix Deutschland heranziehen und dabei auch durch Angebot-/ Erzeugungsunterschiede bedingte Speicher-/Umwandlungsverluste berücksichtigen. Sonst erzeugt man nur eine scheinbare Klimaneutralität, die zu einem bösen Erwachen führt.

Die angestrebte  bilanzielle CO2-Neutralität auch auf dem Wärmsektor ist völlig unzureichend, wenn nicht wirklich in folgenden Bereichen deutlich ambitioniertere Ziele angestrebt und mit wirksamen Maßnahmen erreicht werden.

Energieeinsparung  (Schwerpunkt Wärme / Mobilität)

Die gar nicht erst verbrauchte Kilowattstunde ist nach wie vor die nachhaltigste, so dass auch bei der Fortschreibung des KSK der Energieeinsparung höchste Priorität eingeräumt werden muss.

Neben dem Verkehr ist hier an vorderster Stelle der Gebäudebereich zu nennen, in dem trotz Forderungen im KSK 2011 (hohe Effizienzstandards in Alt- und Neubau) keine wesentlichen Fortschritte erzielt worden sind. Da Versäumnisse in diesem Bereich lange nachwirken und später nur noch mit hohen Kosten und Verlusten nachgeholt werden können, ist ab sofort im Neubau der i.a. auch wirtschaftlich-optimale und öffentlich geförderte Passivhaus-Standard zu fordern, was im Altbau dem Passivhaus-„EnerPHIT“-Standard entspricht.

Klimaneutralität bzw. Energieüberschüsse werden erreicht, wenn in beiden Fällen die „Plus“ oder „Premium“-Version z.B. durch Hinzunahme einer PV-Anlage gewählt wird, so dass der gestufte Forderungskatalog im Endergebnis diese Realisierungsstufen enthalten muss. (Der Passivhaus-Standard enthält seit 2015 auch ein auf Effizienz, Erneuerbare und Klimaneutralität gerichtetes Bilanzierungsmodell, bei dem oben genannte Bilanzierungsfehler und ein „böses Erwachen“ bewusst vermieden werden).

Auch im Verkehr sollte die vermiedene Kilowattstunde höchste Priorität haben („Lass mal stehen!“) – sowohl im Auto- wie im Flugverkehr, wobei Letzterer im KSK 2011 wohl übersehen wurde/kaum Erwähnung fand, so dass hier dringend eine Nachschärfung erforderlich ist. Der durch Corona bedingte Einschnitt sollte hier im Sinne des Klimaschutzes für ein grundlegendes Umdenken genutzt werden.

Mobilität

Als Bestandteil einer wirksamen Energiewende ist eine grundsätzliche Mobilitätswende unabdingbar. Ziel muss sein, eine deutliche Minderung der jetzigen Pendlerströme, basierend auf motorisiertem Individualverkehr, einzuleiten. Das lippische Mobilitätskonzept kann hier als Vorbild dienen.

Stichworte: Jobticket, multimodaler Verkehrsverbund, Carsharing + Betriebliche Fuhrparks, On-Demand-Verkehr

Effizienz 

Zur Effizienz in Gebäuden wurde bereits oben unter Einsparung vorgetragen, wobei das Passivhaus zu den höchst-effizientesten Gebäudekonzepten weltweit gehört – sowohl hinsichtlich der ökologischen, ökonomischen als auch sozialen Dimension. Gesundes Wohnen im Sozialwohnungs-Passivhaus-Plus für 5 Euro Brutto-Warmmiete ist heute möglich / siehe Passivhaustagung Oktober 2020 / Berichte Neue Heimat Tirol / und sollte deshalb auch im Kreis Paderborn Beachtung und Nachahmung finden. Die im Passivhaus vorgeschriebene, optimierte kontrollierte Belüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt dabei für einen steten gesunden Außenluftwechsel, der gerade in Coronazeiten äußerst wichtig ist – ohne dass es „zieht“ oder ein hohes Maß an Wärme verloren geht. Hier sollte der Kreis in all seinen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen und mit aller Macht auf eine analoge Umsetzung im privaten wie gewerblichen Bereich hinwirken.

Zur Zeit ist eine sehr bedenkliche Entwicklung zu beobachten. Im Rahmen des KFW-geförderten Wechsels von der Ölheizung zu  CO2-mindernden Heizsystemen wird von Innungs-Handwerksbetrieben zu elektrischer Luft-Wärmepumpe geraten. Im Altbau – mit rel. hohen Vorlauftemperaturen ist dies äußerst fragwürdig – in Passiv oder EnerPHIT-Gebäuden dagegen kein Problem und sogar angezeigt.

Gebäudebereich:

Verbrauch Heizenergie pro Jahr im Kreis: 2 Mrd kWh

Emission CO2: 456.000 Tonnen (extrapoliert aus Deutschland-Zahlen)

Benötigter Strom, um per WP die Heizenergie herzustellen: 675 Mio kWh

Benötigte WKA, um per WP die Heizenergie herzustellen: 100

Investitionsvolumen WP Kreis: 5 Mrd. €

Investitionsvolumen niedriginvestive Dämmverfahren, um 1 kWh Heizenergie/a einzusparen: 0,31 €

Mögliche Einsparungen niedriginvestiver Bereich kWh: 556 Mio kWh

Invest niedriginvestive Dämmverfahren: 173 Mio €

Wenn die benötigte Heizwärme im Kreis Paderborn per Wärmepumpe hergestellt werden soll, sind ungefähr 9 x so hohe Investitionen erforderlich, wie bei Einsatz von niedriginvestiven Dämmverfahren.

Quelle: AG Energiebilanzen. Umgerechnet auf den Kreis Paderborn. Kosten pro WP incl. Tiefenbohrung: 40.000 €. Jahresleistung WKA: 7.000 kWh. Werte niedriginvestive Dämmverfahren, Quelle: FVED e.V.

Bundesweit:

„Wenn alle privaten Heizungen auf Strom umgestellt würden, ließe das den Stromverbrauch Deutschlands um 563 Terawattstunden (TWh) ansteigen, der Stromverbrauch Deutschlands würde sich glatt verdoppeln. Und die Höchstlast, also die Kapazität der für die Stromerzeugung benötigten Stromerzeugung im Winter, würde sich ebenfalls etwa verdoppeln.”

Quelle: (externer Link)  https://www.energieverbraucher.de/de/waermewende__3187/

d.h. auch hier: die Verbesserung der Gebäudehülle und die drastische Verminderung der Gebäudeverluste muss Vorrang haben.

Energieversorgung

Eine lokale flexible Stromerzeugung in kommunaler Hand kann die starken Schwankungen bei der Stromerzeugung sowie beim Verbrauch ausgleichen. Lastspitzen könne durch dezentrale Kraftwerke (BHKW, Biogasanlagen) abgefangen werden – bei gleichzeitiger Minderung der Abnahme auf Verbraucherseite. Dazu wird eine flexible Tarifstruktur benötigt, um Anreize zu schaffen.

Laststeuerung

„Mit der Einführung eines Smart Grid-Systems ist die Hoffnung auf Entlastungseffekte durch Umwelt- und Energieeffizienz verbunden. In verschiedenen Studien werden diese Entlastungseffekte thematisiert.”

Quelle: (externer Link) https://www.innosmart-projekt.de/data/innosmart/user_upload/Dateien/Smart_Grid_Gesellschaftliche_Perspektiven_NEU_01.pdf

H2-Erzeugung und -versorgung  (Stadtwerke+Padersprinter+H2-Tankstelle)

Nach heutigem Stand ist eine Wasserstoffbasierte Busflotte in der Größenordnung des Padersprinters wirtschaftlicher zu betreiben als eine mit Elektrobussen.

Quelle: (externer Link) https://www.energie-wasser-praxis.de/gruenegase/artikel/erfolgsmodell-in-der-energiewirtschaft-das-wasserstoff-zentrum-h2herten/

Dieter Dubisch, Vorsitzender pro grün e.V. Paderborn