“Living Wall” am Parkhaus an der Bahnhofstrasse Paderborn – Fassadenbegrünung oder Architektenpetersilie?

pro grün e.V. zur geplanten Fassadengestaltung des Parkhauses an der Bahnhofstraße – eine Stellungnahme

Mit großer Enttäuschung hat pro grün zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Bauausschuss der Anregung des Vereins zu einer Fassadenbegrünung des geplanten Parkhauses an der Bahnhofstraße nicht gefolgt ist. Das, was nun im Architektenentwurf als Living Wall nach den Grundsätzen des Green Deal vorgestellt und von einer Ausschussmehrheit für gut befunden wurde, ist grüne Architektenpetersilie, nicht aber eine Fassadenbegrünung, die ihren Namen verdient. Bei einer Fassade von 120 m Länge und 20 m Höhe ist eine Begrünung auf einer Fläche von nur 360 qm wirklich lächerlich wenig. Mit diesem grünen Mäntelchen ist niemandem gedient und dies kann weder auf das Stadtklima noch auf die Luftqualität und die Umwelt den angestrebten positiven Effekt haben.
Vorstellbar ist eine Begrünung von weit über der Hälfte der Fassadenfläche mit Bewässerung aus einer Regenwasserzisterne auf dem Dach über ein Röhrensystem unter Nutzung der Schwerkraft. Eine so gestaltete Fassade kann auch optisch ein Hingucker sein. Pro grün verweist auf das Gutachten Fassadenbegrünung der TH Darmstadt, Fachbereich Architektur, das vom Ministerium für Klimaschutz (MKUNLV) NRW in Auftrag gegeben und 2016 veröffentlicht wurde und im Netz frei verfügbar ist. Hier wird auf 98 Seiten detailliert beschrieben und belegt, welche große Bedeutung eine fachgerecht angebrachte Fassadenbegrünung u. a. auch für der Stadtklima in unseren immer häufiger überhitzten Innenstädten hat.
„Politik, Verwaltung und auch mancher Architekt könne ruhig einen Bick in diese Arbeit werfen und sich schlau machen“ meint Fritz Buhr. Vielleicht kann auch zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt noch eine Umplanung vorgenommen werden. „In Zeiten des galoppierenden Klimawandels sei nicht Kunst am Bau sondern Klimafolgenanpassung das Gebot der Stunde“, fordert pro grün Chef Dieter Dubisch. Auch in den kommenden
Jahrzehnten müsse der Mensch sich dort, wo er lebt und arbeitet noch wohlfühlen können und gesund bleiben.
Dieter Dubisch
pro grün Vorsitzender

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Die Redaktion verweist in diesem Zusammenhang auf folgende Beiträge:

Fassadenbegrünung für das  geplante Parkhaus an der Bahnhofsstraße. Offener Brief  (29. August 2020)

Begrünung contra CO2 (14. September 2019)

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Externe Links:

Grüne Fassaden als Lösungsmöglichkeit für Europas überhitzte Städte

 

Interessant für alle, die lieber selbst begrünen:

Hof- und Fassadenprogramm-Paderborn

aus “Förderung für Begrünungsmaßnahmen” https://www.mehrgruenamhaus.de/mehrgruen-foerderung

 

Verbraucherzentrale nrw: Dach- und Fassadenbegrünung

Verbraucherzentrale NRW: mehrgruenamhaus / mehrgruen-vorteile

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Nochmal kurz zusammengefasst:

Vorteile von Fassadenbegrünungen

Die positiven Auswirkungen einer begrünten Fassade sind vielfältig und betreffen das städtische Mikroklima, die Bausubstanz und die Lebensqualität im Wohnraum.

  • Verbesserung des Mikroklimas: Durch die Bildung von Pflanzenmasse wird Kohlenstoffdioxid aus der Umgebungsluft gebunden und Sauerstoff gebildet. Die Verdunstung von Wasser über die Blätter erhöht zudem die Luftfeuchtigkeit und senkt die Temperatur in der unmittelbaren Umgebung. Durch die Absorption von Staubteilchen auf der Blattoberfläche wird zudem die Luftbelastung verringert. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen beispielsweise der Universität Karlsruhe belegen, dass sich durch begrünte Fassaden die Stadtluft erheblich verbessern lässt.
  • Sommerlicher Wärmeschutz und Wärmedämmung: Das dichte Blattwerk einer begrünten Wand schützt die Fassade vor direkter Sonneneinstrahlung und vermindert im Sommer auf diese Weise, insbesondere bei nicht gedämmten Gebäuden, das Aufheizen der Außenwände. Bei immergrünen Pflanzen wie z.B. Efeu kommt zudem eine wärmedämmende Wirkung in der kalten Jahreszeit hinzu.
  • Biotop: Eine begrünte Wand stellt einen wertvollen Lebensraum für verschiedene Insekten und Vögel dar. Beispielsweise als Nistplatz für diverse Singvogelarten oder in Form von Blüten und Früchten als Nahrungsquelle. Allerdings können auch ungebetene Gäste, wie z.B. Wespen angezogen werden.
  • Lärmschutz: das Blattwerk einer Fassadenbegrünung ist ein effektiver Lärmschutz, da Schallwellen geschluckt und in einem deutlich geringeren Maße reflektiert werden als durch die glatte Hauswand. Dadurch ist eine Lärmminderung von bis zu 10 Dezibel erreichbar.
  • Schutz der Bausubstanz: Durch die Pflanzen werden Fassaden vor direkter UV-Einstrahlung, Schlagregen und Schmutzablagerungen geschützt. Bei alter Bausubstanz wird zudem das Erdreich durch den Wasserentzug der Pflanzen trocken gehalten. Allerdings kann es bei fehlender Pflege oder unsachgemäßer Ausführung auch zu Schäden an der Bausubstanz kommen. Einer intensiven Planung und der Auswahl geeigneter Pflanzen kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
  • Ästhetik: das Fehlen von Grünpflanzen im Stadtbild wird von vielen Menschen als großer Mangel empfunden. Mit einer Fassadenbegrünung lässt sich dem Bedürfniss der Stadtbewohner nach einem natürlichen Lebensumfeld auf einfache Weise Rechnung tragen. Durch die Verwendung von Blüten ausbildenden Pflanzen kann dieser Effekt noch verstärkt werden.

Quelle: https://www.oekologisch-bauen.info/baustoffe/dach-fassade/fassadenbegruenung/