Resolution Nabu Paderborn, 29. Juni 2019

Resolution des NABU Kreis Paderborn zu den Problemen der Massentierhaltung und Intensivlandwirtschaft im Kreis Paderborn

verabschiedet auf der Jahreshauptversammlung am 29. Juni 2019

Präambel für eine zukunftsfähige Landwirtschaft

Das dramatische Artensterben in der Agrarlandschaft findet auch im Kreis Paderborn statt.

Der Wandel hin zu einer naturverträglichen Landwirtschaft ist bei uns überfällig.

Wir fordern die Landwirte im Kreis Paderborn auf, eine flächengebundene Tierhaltung zu betreiben, die die einzelbetrieblichen Tierbestände auf maximal 1,8 Großvieheinheiten pro ha begrenzt.

Wir fordern den Kreis Paderborn, die Kommunen und die Kirchen auf, ihre landwirtschaftlichen Flächen nur noch an Landwirte zu verpachten, die maximal 1,8 Großvieheinheiten pro ha halten.

Wir fordern die Landwirtschaftskammer auf, viehintensive Betriebe zu kontrollieren, ob die geltende Düngeverordnung eingehalten wird.

Wir fordern die Verbände der Wasserwirtschaft im Kreis Paderborn auf, effektive Maßnahmen zu ergreifen, die Nitratbelastungen im Grundwasser zu verringern.

Wir fordern den Kreis Paderborn auf, Naturschutzgebiete effektiv vor Emissionen aus Gülle und Pestiziden aus der Intensivlandwirtschaft zu schützen, weil sie den Artenschutz in den Naturschutzgebieten gefährden.

Wir fordern alle Kommunen des Kreises Paderborn auf, dass ihre Wegränder nicht mehr illegal durch Landwirte bewirtschaftet werden, sondern durch Pflegemaßnahmen wieder zu blütenreichen Feldrainen entwickelt werden (Mähen statt Mulchen).

Wir fordern den Kreis Paderborn, die Kommunen und die Kirchen auf, dass sie ihre Flächen nur an Landwirte verpachten, die gemäß den anerkannten Anbauverbänden ökologisch wirtschaften. Die Ausbringung von Gülle, Kunstdünger und Gärsubstrat sowie von Pestiziden ist auf diesen Flächen zu verbieten und bei der Bewirtschaftung haben Erhalt und Förderung der Biodiversität sowie der Schutz von Grund-und Trinkwasser Priorität.

Begründung

Die Folgen der Intensivlandwirtschaft und Massentierhaltung wirken sich immer stärker auf alle Bereiche von Natur und Umwelt aus, so dass auch die Menschen im Kreis Paderborn diese Entwicklung spüren:

Die Anbauflächen für Monokulturen, namentlich Mais und Raps, haben in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Beide Pflanzen dienen als Tierfutter und zum Betreiben von Biogasanlagen.

Die Massentierhaltung hat sich im gleichen Zeitraum stark intensiviert, was sich anschaulich an den Zahlen der Schweine aufzeigen lässt: Bei Abnahme der Zahl der Schweinemastbetriebe um 90 % in den letzten 25 Jahren, allein seit 2007 um mehr als 50%, hat im gleichen Zeitraum die Anzahl der Tiere aber um fast 20% zugenommen. Aus diesen Zahlen geht eine immense Konzentration der Tiere pro Betrieb hervor, was sich nur als industrialisierte Massentierhaltung beschreiben lässt, wobei der Kreis Paderborn ein Zentrum in OWL ist. Das Futter besteht zum großen Teil aus Soja aus Übersee, wird also nicht über die hiesigen Flächen erwirtschaftet. Diese Tiere produzieren in der logischen Folge eine enorme Menge an Kot und Harn, also Gülle, die auf die Äcker und Wiesen im Kreis entsorgt werden, noch verstärkt durch Gülleimporte u.a. aus Holland.

Konsequenz ist der Anstieg der Konzentration von Nitrat in Grund-und Quellwasser bis hin zum Trinkwasser sowie in den Bächen und Flüssen des Kreises. So weisen die Quellen von Lippe, Pader und Rothebach eine Nitratkonzentration von deutlich über 20 bis 50 mg pro Liter auf. Alle Quellen des Rothebachs übersteigen bereits den Schwellenwert von 37,5 mg/l, an dem Gegenmaßnahmen einzuleiten sind. Ihr Wasser entstammt dem Paderborner Karst, der nur eine geringe Filterwirkung hat und unter der intensiv bewirtschafteten Paderborner Hochfläche liegt. Im Verlauf der Fließstrecke nehmen unter dem weiteren Einfluss der Landwirtschaft die Nitratgehalte sogar noch deutlich zu. Zusammen mit dem aus der Düngung stammenden Phosphat führt dies zu einer Eutrophierung mit allen ihren negativen Folgen.

Die Nitratkonzentration ist gleichzeitig ein Indikator für die landwirtschaftliche Belastung der Gewässer, bei nachhaltiger Landwirtschaft würde sie deutlich unter 10 mg pro Liter liegen. Noch in den 1980er Jahren wurden in den Paderquellen nur 6 mg Nitrat pro Liter gemessen.

Mittlerweile ist das bislang so gepriesene Paderborner Trinkwasser ernsthaft gefährdet, mit 15 mg Nitrat pro Liter Diebeswegwasser (Analysewert 2019) bei steigender Tendenz ist es für Babys nicht mehr geeignet (Grenzwert 10 mg/l), noch Ende der 1980er Jahre waren es 6-7 mg/l.

Die Auswirkung der Intensivlandwirtschaft erstreckt sich sowohl auf das Ackerland als auch auf das sogenannte Grünland; beide werden oft bis über die Weggrenzen hinaus genutzt. Artenreiche bunte Wiesen mit Kräutern bzw. Blumen gibt es heute im Kreis Paderborn höchstens noch als Relikte in extensiv bewirtschafteten Naturschutzgebieten. Durch Überdüngung und Herbizide wurden sie zu monotonen Grünlandsteppen, die nur noch aus wenigen Grasarten bestehen. Brachflächen im landwirtschaftlichen Raum, früher Rückzugsgebiete für viele Pflanzen-und Tierarten, sind auch im Kreis Paderborn der Intensivnutzung zum Opfer gefallen. Auf solchen Industriegrasflächen hört man kein Zirpen von Heuschrecken, dort fliegt kein Schmetterling und keine Biene, dort ist das Artensterben Realität. Mit den Insekten verschwinden auch die Vögel. Die Brutpaarzahlen der Vogelarten agrarisch genutzter Flächen sind dramatisch zurückgegangen und bei einer Reihe von Arten weniger als halb so groß wie vor 25 Jahren. Früher häufige Arten wie Kiebitz und Feldlerche drohen zu verschwinden. Der „stumme Frühling“ ist hier bereits Wirklichkeit. Der Kreis Paderborn ist Teil der weltweiten Biodiversitätskrise. Die über Jahrhunderte entstandene artenreiche Kulturlandschaft ist dabei zu verschwinden.

Die Auswirkungen der Intensivlandwirtschaft erstrecken sich über die eigentlichen landwirtschaftlichen Flächen hinaus auf den Boden einschließlich des Paderborner Karsts, Grundwasser einschließlich Trinkwasser, Quellen, Bäche, Flüsse und Stehgewässer. Es genügt nicht, Artenschutz nur auf die Naturschutzgebiete zu beschränken. Die Intensivlandwirtschaft beeinflusst mit Emissionen aus Gülle und Pestiziden auch diese Gebiete und führt hier zu drastischen Verlusten der Biodiversität, aufgezeigt u.a. durch die Krefelder Untersuchung zum Insektensterben. Die Ausbringung von Gülle muss deutlich reduziert werden, damit die Nitratkonzentration in Grund-und Trinkwasser, Quellen, Bächen und Flüssen abnimmt; dies hätte auch positive Auswirkungen auf die Biodiversität.