In den letzten Wochen demonstrieren Landwirte auf der Straße und beklagen sich über verschärfte Umweltauflagen und mangelnde Einbeziehung durch die Politik. Doch im Kreis Paderborn gibt es bereits seit 28 Jahren eine solche intensive Zusammenarbeit. Damals schlossen sich im Kreis Paderborn neun Wasserversorger und knapp 800 Landwirte über die Landwirtschaftskammer zur Wasserkooperation Paderborn zusammen.
Die Politik hatte nämlich eine gefährliche Verschlechterung der Wasserqualität durch Gülle und Kunstdünger erkannt und angekündigt, ordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn Bauern nicht freiwillig mit der Wasserwirtschaft kooperieren. Ziel damals wie heute: Der Nitrateintrag sollte begrenzt und die Bauern über gewässerschonende Landwirtschaft aufgeklärt werden.
Nach Aussagen des Kreislandwirts Johannes Giesguth, Vorsitzender der Wasserkooperation Paderborn, sind heute drei Berater im Einsatz, die die landwirtschaftlichen Betriebe informieren und schulen. Im Zuge der EXPO 2000 wurde die Wasserkooperation sogar als Vorzeigeprojekt gefeiert.
An diesem Projekt hätten die Landwirte beweisen können, dass sie ernsthaft bereit sind umweltbewusst und trinkwasserschonend zu wirtschaften. Doch lässt sich der Erfolg eines Projektes nur an seinen realen Ergebnissen messen: Hat die Landwirtschaft ihre Versprechen gehalten?
Ein im Oktober 2019 veröffentlichtes Gutachten zur wasserrechtlichen Bewilligung für die Gemeinschaftswasserwerke Boker Heide gibt hierüber Auskunft: In den drei Brunnen der Wasserwerke hat sich der Gehalt von Nitrat im Wasser seit den 1990er Jahren bis heute nicht abgesenkt. In einem der Brunnen werden erst seit 10 Jahren deutliche Nitratkonzentrationen gemessen, während in den beiden anderen Brunnen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre noch ein geringfügiger Abfall des Nitratgehalts ermittelt wurde. Seitdem steigt der Nitratgehalt mit einigen Schwankungen jedoch wieder an, besonders auffällig ist dabei der deutliche Anstieg in den letzten beiden Jahren. Es werden Spitzenwerte von fast 150 Milligramm Nitrat pro Liter erreicht, was dem Dreifachen des Grenzwertes für Trinkwasser entspricht.
Es ist damit zu rechnen, dass der Nitratgehalt des Grundwassers in naher Zukunft weiter dramatisch ansteigen wird, wenn nämlich die derzeit noch bestehende Abpufferung durch bestimmte Bodenschichten erschöpft ist. Das Brunnenwasser der Boker Heide darf auf keinen Fall für die Zubereitung von Säuglingsnahrung verwendet werden, es liegt deutlich über dem vom Bundesumweltamt empfohlenen Grenzwert von 10 Milligramm pro Liter.
Weiter haben die festgestellten hohen Konzentrationen an Ammonium in den Brunnen auch ihre unmittelbare Ursache in der landwirtschaftlichen Gülleausbringung. Spätestens nachdem ab dem Jahre 2016 ein bestimmtes im Maisanbau verwendetes Unkrautbekämpfungsmittel, S-Metolachlor bzw. seine Abbauprodukte (Metaboliten), in den Trinkwasserbrunnen gemessen werden, wird auch der intensive Pestizideinsatz in der Landwirtschaft des Kreises Paderborn deutlich. Die Abbauprodukte haben eine vergleichbar hohe oder sogar noch höhere Toxizität für den Menschen als die Muttersubstanz. Einige dieser Metaboliten überschreiten im Boker Brunnenwasser in den letzten Jahren den vom Bundesumweltamt festgelegten sogenannten Gesundheitlichen Orientierungswert. Würde man z.B. die in Österreich geltende Maximal Tolerierbare Konzentration zugrunde legen, würde diese von vier der fünf gemessenen Metaboliten sogar um das Mehrfache(!) überschritten.
Pro grün und Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind der Auffassung, dass Spritzmittel und ihre Rückstände im Trinkwasser nichts zu suchen haben.
Es ist sehr bedauerlich dass Landwirte Pestizide einsetzen; bedenklich dabei ist, dass sie damit unser aller Gesundheit über das Trinkwasser gefährden. Bedenklich ist zudem, dass nur Eines von zahlreichen Pestiziden untersucht wurde, wir also von den anderen Schadstoffen und deren Konzentrationen gar nichts wissen. Boden und Grundwasser haben bekanntlich ein langes Gedächtnis.
Fazit ist, dass die Ziele der Kooperation zwischen Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Politik nicht erreicht wurden und das Projekt gescheitert ist! Und dies, obwohl die konventionellen Landwirte in höchstem Maße einbezogen und dabei von Beratern begleitet wurden und die Kooperation mit allen erdenklichen Vorschusslorbeeren versehen war.
Es ist nun allerhöchste Zeit, dass Landwirtschaft nachhaltig, d.h. Boden und Grundwasser schonend, betrieben wird!
Reinhard Schick / NABU Kreisverband Paderborn
Dieter Dubisch / Gemeinnütziger Umweltschutzverein pro grün e.V., Paderborn